Auch nach zwölf Jahren vermisse ich Dich unendlich,

deine Gesten und Worte, dein Lächeln, einfach deine Eigenart.

Es fehlt immer  ein Teil unserer Familie

Manchmal
sind Erinnerungen wie ein Regenguss -
sie kommen auf dich herab,
erwischen dich ganz unvermutet.

Manchmal
sind Erinnerungen wie Gewitter -
sie schlagen auf dich ein,
gnadenlos in ihrem Auftauchen,
und dann, wenn sie aufhören,
lassen sie dich ermüdet und geschafft zurück.            

Manchmal
sind Erinnerungen wie Schatten -
sie schleichen sich heimlich von hinten an,
verfolgen dich rundherum,
dann verschwinden sie,
lassen dich traurig und verwirrt zurück.

Manchmal
sind Erinnerungen wie eine Daunendecke -
sie umgeben dich mit Wärme,
üppig, überreichlich, mit viel Liebe –
und manchmal bleiben sie,
hüllen dich in Zufriedenheit.
(
Marsha Updike)

                                                                                                              

                

s

                                                          

                                                                                  Erst der Schock.......                                        

                                                             dann der Gedanke jetzt könntest du aber langsam wiederkommen, 

      

                          erst jetzt ,ganz langsam, kommt dieses Gefühl der Endgültigkeit.                                     

Nie wieder werde ich deine Stimme hören

Nie wieder dein verschmitztes Lächeln sehen

Nie wieder Streitereien mit deinen Geschwistern schlichten

Nie wieder neckisch über dein Gesicht streichen

Nie wieder Angst um dich haben

Du bist unerreichbar fern. Ich kann auch heute noch nicht begreifen was geschehen ist,

  warum ich dich nicht mehr sehen kann .... auch wenn ich manchmal in meinem Schmerz,

meiner Sehnsucht und meinen Tränen deine Nähe spüre.

 

 

 

 

Nun ist Sascha schon ein Jahr nicht mehr bei uns und ich weiß nicht wo dieses Jahr geblieben ist. Meine Gefühle befinden sich in einem ständigen Auf und Ab. Manchmal überrollt es mich völlig überraschend und schon sitze ich wieder in einem tiefen Loch. Zurzeit ist es sehr schwer. Die Bilder unserer letzten gemeinsamen Tage sind ständig in meinem  Kopf und so lebendig und nah, dass ich es kaum glauben kann, dass Sascha nie mehr wiederkommt.

Was ist die Zeit, dass sie solche Wunden heilen soll?

Der Schmerz ist immer noch so unsagbar groß und die Sehnsucht wächst mit dem Gefühl der Endgültigkeit mehr und mehr. Er fehlt mir so sehr.

 

Sascha wurde als drittes unserer vier Kinder am 12.Mai 1986 um 10.48 Uhr geboren.

Ich war gerade mit Mirko beim Kinderarzt als es losging und dann hatte er es so eilig in diese Welt zu kommen, dass sein Vater es gerade noch rechtzeitig schaffte dabei zu sein. Bei der standesamtlichen Anmeldung mussten wir uns auf die Schnelle für einen zweiten Namen entscheiden, da Sascha auch ein Mädchenname ist. So bekam er den Namen Sascha Maik. Gesundheitlich war alles in Ordnung und  nachmittags waren wir wieder zu Hause bei seinen beiden Geschwistern. Sascha war ein sehr aufgewecktes Kind, das mit seinem blonden Lockenkopf und seinem verschmitzten Lächeln alle schnell um den Finder wickeln konnte. Nur zu Hause lebte er seine Gefühle sehr intensiv aus. Seine Trotz- und Wutanfälle strapazierten manches Mal unser gesamtes Familienleben. In ihm steckte aber wohl bereits im Säuglingsalter diese Angst, die ihn sein ganzes Leben begleitet hat, denn er schlief nur händchenhaltend  ein.
Aufgrund einer Herzerkrankung meines Mannes und meiner Schwiegermutter haben wir die Kinder 1988 vorsorglich in der Kinderkardiologie in Bad Oeynhausen untersuchen lassen, jedoch ohne Befund. So führte Sascha ein ganz normales Leben. Er ging  drei Jahre in den Kindergarten und besuchte anschließend  die Grundschule. Wie alle unsere Kinder war auch Sascha sehr bewegungsfreudig. Er turnte im Sportverein , tobte draußen mit seinen Freunden, fuhr viel Fahrrad und war seit dem sechsten Lebensjahr wie seine Geschwister bei den Pfadfindern. Bis zum Sommer 1996.

Wir waren in Dänemark im Urlaub, wie Sascha mehrfach über Schmerzen in der Herzgegend klagte.  Sensibilisiert durch die Familiengeschichte ließ ich zu Hause  bei der Kinderärztin sofort ein EKG machen . Wegen Unregelmäßigkeiten schickte sie uns weiter ins Kinderkrankenhaus.  Dort folgten weitere Untersuchungen, bei denen die Ärzte eine Verdickung des Herzmuskels feststellten oder genauer gesagt „Hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie“ Bei dem anschließenden Gespräch schilderte der Arzt, in Gegenwart von Sascha, sehr dramatisch die Auswirkungen auf Saschas Leben und erstmals fielen die Worte „plötzlicher Herztod“. Zur endgültigen Abklärung und medikamentösen Einstellung  wurde er stationär in der  Kinderkardiologie des Herzzentrums Bad Oeynhausen aufgenommen.

Die wenig einfühlsamen Schilderungen des Arztes hatten bei  Sascha panische Angst ausgelöst. Abends schlief er bei uns im Bett und morgens stand er weinend in der Tür und wollte nicht zur Schule. Er hatte zu dieser Zeit gerade zur weiterführenden Schule gewechselt und alles war neu und fremd. An seinem geliebten Sportunterricht durfte er nicht mehr teilnehmen. Da man ihm seine Erkrankunkung aber in keiner Weise ansah, konnten auch die Mitschüler nicht mit dieser Situation umgehen. Mit Hilfe der Schulsozialarbeiterin und viel Geduld  normalisierte sich die Lage langsam. Er lernte mit seiner Erkrankung zu leben. Die halbjährlichen Untersuchungen im Herzzentrum wurden zur Routine. Im Sportunterricht konnte er in Absprache mit den Ärzten leichte Hilfstätigkeiten übernehmen. Er wollte eben einfach dazugehören und keine Sonderrolle einnehmen.

Meine Verlustängste waren durch den frühen Tod meines Bruders und meines Freundes sowieso schon belastend und nun kam die massive Angst um Sascha hinzu. Trotzdem versuchte ich es ihn so wenig wie möglich spüren zu lassen oder ihn einzuschränken. Den Gedanken an plötzlichen Herztod verdrängte ich. Wie hätte ich damit auch Tag für Tag leben können?

Es wurde eine ständige Gratwanderung, denn Sascha musste immer wieder seine Kraft beweisen, ob im Kämpfchen mit seinen Brüdern oder indem er stolz seine , wie er immer sagte „kleine Mama“ hochhob.  Bloß keine  Schwäche zeigen. Ich wusste, dass viele seiner Handlungen und vor allem seiner starken Worte nur Fassade waren, hinter der er seine Ängste versteckte. Von Außenstehenden,  insbesondere auch Lehrern, wurde er jedoch häufig verkannt. Aber da gab es auch seine andere Seite, charmant, witzig und viel Geduld im Umgang mit jüngeren Kindern, die ihn liebten.

Immer wieder machte ich mir Gedanken, wie es für Sascha beruflich weitergehen könnte, denn er durfte ja keine anstrengende körperliche Tätigkeit ausüben. So kam es uns gerade recht, dass sein ganzes Interesse dem Computer galt. Nach dem Abschluss der 10, Klasse entschied er sich für den Besuch des Berufskollegs und die Ausbildung zu Informationstechnischen Assistenten. Alles schien in die richtige Richtung zu laufen. Ein Dämpfer bekam meine Zuversicht im Januar 2002. Die Ärzte hatten Zweifel bezüglich der ausreichende Wirkung des Medikaments und Sascha wurde in einem einwöchigen stationären Aufenthalt umgestellt auf einen Betablocker. Im Abschlussgespräch zeigte mir der Arzt weitere operative Möglichkeiten auf, aber wegen Saschas erstaunlich guter körperlichen Konstitution wollten sie vorläufig von solchen Eingriffen absehen. Plötzlich waren meine Ängste wieder ein ganzes Stück näher gekommen.

Sascha war in den letzten ca. 1 1/2 Jahren irgendwie ruhiger und ausgeglichener geworden. Nur wenn die Schule mal wieder zu kurz kam, weil das Zocken am PC an erster Stelle stand, gerieten wir beide aneinander. Auch in unseren letzen gemeinsamen Wochen war dies mal wieder Thema, denn Sascha schob wieder einmal ein Deutschreferat vor sich her.

Wie jede Ferien wollte Sascha auch in den Weihnachtsferien 2002 zu seinem Freund und ehemaligen Nachbarn Sven nach Landshut und dessen Eltern hatten uns zu Silvester eingeladen. Zuvor wollten wir noch Freunde besuchen. So fuhren wir nach den Feiertagen Richtung Bayern , selbstverständlich Saschas Rechner im Gepäck. In Ulm brachten wir Sascha zum Zug nach Landshut. Noch heute geht mir das Bild nicht aus dem Sinn, wie er auf seinem Rechner auf den Bahnsteig sitzt und ihn unter den Arm klemmt und in den Zug steigt. Nachdem wir Sylvester intensiv zusammen erlebt haben, folgen noch einpaar ruhige Tage zu Hause, bevor die Schule wieder beginnt.  

Das Deutschreferat war immer noch nicht geschrieben und selbst Computerverbot konnte ihn bis zuletzt nicht dazu bewegen. Hatte Sascha irgendwelche Ahnungen?  Ich hatte ihn nie so ungewöhnlich gelassen und ausgeglichen erlebt bei Verboten.

Dann am11.Januar Niklas Geburtstag. Während wir mit der Geburtstagsgesellschaft im Freizeitbad waren, hatte Sascha seine Freunde Basti und Thorben zu einer LAN Party bei uns im Keller eingeladen. Es war eine sehr unruhige Nacht  mit zehn Jungen im Haus und wenig Schlaf. Am anderen Morgen war Sascha mal wieder stolz auf seine Stärke, während die anderen eingeschlafen waren, hatte er durchgehalten. Als er Sonntagabend im Bett lag, bin ich noch einmal in sein Zimmer, um das Fenster zu schließen. Es herrschten Minusgrade draußen und ich hatte Angst er könnte sich eine Erkältung einfangen, die für ihn immer ein erhöhtes Risiko bedeutete. Er reagierte sauer.

Es waren seine letzten Worte zu mir , das letzte Mal, dass ich ihn lebend gesehen habe. Am anderen Morgen war ich im Bad, wie er es wieder einmal eilig hatte, laut fluchend seine Sporthose suchte ( leider auch fand.) und zur Tür hinaus war. So ging jeder von uns an verschiedenen Orten seiner Beschäftigung nach. Ein normaler Montagmorgen, bis zu dieser schrecklichen Sportstunde, die unsere Welt auf den Kopf stellte.

Sascha hatte eigentlich ein ärztliches Attest, das er keine Herz- und Kreislauf belastenden Übungen mitmachen durfte. Aber er wollte sich mit seinen Klassenkameraden messen, dazugehören und Stärke demonstrieren, Wer kann ihm das verdenken in seinem Alter. So hat er mit Rugby gespielt und im Spiel seine Kräfte überschätzt. Bei einer Rangelei ist er zu Fall gekommen und nicht wieder aufgestanden. Sein Freund Hans, der ihn seit der fünften Klasse kannte, hatte   die Situation sofort erkannt und den Notarzt alarmiert. Trotzt allem Bemühen konnte dieser nur noch Saschas Tod feststellen.

Nach dem ersten Schock  für uns , kam der unbeschreibbare Schmerz. Seit diesem Tag ist nichts mehr so wie es war in unserer Familie und kann es auch nicht mehr werden. Sascha fehlt mir , meinem Mann, seiner Schwester Tanja und seinen Brüdern  Mirko und Niklas so sehr. Das Verhältnis unsrer Kinder war trotzt einiger geschwisterlicher Rangeleien schon immer ein sehr enges und umso größer ist die Lücke. Wir versuchen uns gegenseitig zu stützen und doch hat jeder seine ganz eigene Form mit dieser Trauer umzugehen.  Was uns bleibt, ist unsere Erinnerung.

Sascha geht es sicherlich gut, wo er jetzt ist. Er braucht endlich keine Angst mehr haben und vielleicht kann er ja auch endlich richtig Sport machen, was er sich immer so sehr gewünscht hat.

 

 

nach zwei Jahren

nach drei Jahren

nach vier Jahren

nach fünf Jahren

nach sechs Jahren