Deine Toten sind tot,
dein Verstand weiß es;
aber dein Herz braucht Zeit,
um zu wissen und anzunehmen,
dass sie wirklich gegangen sind.

Darum brennt dein Schmerz von neuem:
an dem Familientisch ,
wo nun ein leerer Platz geblieben ist,
oder an den Tagen um Weihnachten,
wo jemand fehlt,

 

oder an den Tagen einer Geburt
ohne den geliebten Sohn,
oder an Neujahr,
wo ein Trinkspruch ausgebracht wird
und jemand sein Glas nicht mehr erhebt.

 

So ist das menschliche Herz!
Es erlebt immer erst nach und nach,
was die Vernunft längst weiß.
Für den Verstand sterben die Toten
ein einziges Mal,
für das Herz
sterben sie viele Male-
(von René Juan Trossero)

 

 



 

- Ja so geht es nun schon fünf Jahre. Viele, viele Male , die so sehr schmerzen. Oft sind es auch ganz banale alltägliche  Situationen, die Außenstehenden gar nicht bewusst sind, da kommt ein ehemaliger Schulkamerad in seinem Auto vorbei gefahren, da gibt es ein bestimmtes Essen, eine bestimmte Musik oder ein Spiel, und vieles mehr.

 

Wieder war es ein ereignisvolles Jahr, aber eben ohne Sascha. Am schmerzlichsten empfand ich sein Fehlen wohl bei der Hochzeit seiner Schwester. Oh Sascha –du wärst sicherlich sehr stolz gewesen auf  deine schöne Schwester und deinen lieben Schwager. Aber vielleicht warst du am7.7.doch irgendwie beteiligt ???  Nachdem es  in diesem feuchten Sommer bis in der Nacht zuvor noch geregnet hatte, kam gerade am Hochzeitstag die Sonne zum Vorschein und blieb. So konnten wir um Mitternacht sogar bei windstiller Nacht 11asiatische Papierlaternen in den sternenklaren Himmel steigen lassen. Es war ein sehr emotionales Erlebnis. Hast du sie gesehen, denn sie trugen auch Grüße an dich? Jetzt wirst du im Sommer auch noch Onkel, aber sicher weißt du das längst.

Ach Sascha du fehlst mir so sehr. Es tut immer noch so weh.

 

Dieses Jahr brachte allerdings auch wieder einmal belastende Dinge mit sich. Nachdem im Mai zunächst das Gehalt meines Mannes um 30Prozent gekürzt wurde, kam drei Monate später die Insolvenz. Noch hatten wir Hoffnung , es würde sich ein Nachfolger finden, aber zum Oktober kam doch das endgültige Aus, nach 26 Jahren. Leider waren die Begleitumstände mit schmutzigen Machenschaften verbunden, von denen noch heute vieles unklar ist. Wieder einmal dachte ich, warum jetzt auch noch das? Wie soll man denn da die Hoffnung und den Glauben an das Gute , an die Zukunft bewahren? Wir wollen doch einfach nur einmal zur Ruhe kommen.  Nach einem Monat Arbeitslosigkeit kam dann von irgendwo diese neue Arbeitsstelle. Aber nach meiner Vorstellung es gibt ja keine Zufälle, nur Vorfälle, die es auf etwas abgesehen haben. Vielleicht liegt der Sinn nur darin, dass der ständige Druck und die Fahrerei für meinen herzkranken Mann auf Dauer zuviel gewesen wären. Nun arbeitet er als Fachkraft mit Behinderten und hat geregelte Arbeitszeiten, allerdings für die Hälfte seines früheren Einkommens. Trotzt aller Zweifel zwischendurch, werden wir das schon irgendwie schaffen. Immer wieder versuche ich bei allem Düsteren auch die lichtvollen Dinge zu sehen, so wie die Gesundheit meiner Mutter, der es nach der Krebserkrankung wieder einigermaßen gut geht, die Lehrstelle unseres Jüngsten und die Freude auf unser Enkelkind. Leider klappt das aber nicht immer. Ganz plötzlich sind sie da, die schmerzvollen Momente, voller Sehnsucht. Sie scheinen einen zu überrollen. Dieser Jahreswechsel fiel mir besonders schwer, denn irgendwie habe ich doch Angst vor dem was kommt. So gerne möchte ich hoffnungsvoller in die Zukunft schauen, aber manchmal will es einfach nicht gelingen. Dazu war es einfach die letzten Jahre zuviel. Vielleicht kommt ja jetzt endlich mal etwas Ruhe in unser Leben, nur ein bisschen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass selbst die Trauer bei all den Geschehnissen wenig Raum hat, aber sie holt mich immer wieder ein, denn  sie gehört immer mehr zu mir und so wird es wohl bleiben.

 

Ich meine nicht, du könntest eines Tages
wieder leben wie in früheren Jahren.
Denn ein Schmerz dieser Art lässt ja nicht nach,
nicht so rasch jedenfalls.
Er geht und kommt noch lange Zeit, wie er will.
Du wirst ihm ausgeliefert sein und ihn erleiden.
Er wird bei dir wohnen wie ein unsichtbarer Gast
und sich wohl erst am letzten Tag verabschieden.
Aber am Ende wird er es gewesen sein,
der diese Jahre wesentlich gemacht hat,
der ihnen ihr Gewicht gab und ihre Tiefe.

Jörg Zink