Zwei Jahre ohne Sascha und ich weiß manchmal gar nicht wie ich das ausgehalten habe.

Die Zeit ist unerbittlich weitergelaufen und auch dieses Bewusstsein schmerzt. Keiner fragt danach ob ich dieses Leben so weiterleben will, ich muss. Immer mehr wird erwartet, dass man wieder die Alte ist. Aber wie soll das gehen?

Außenstehende denken die Zeit heilt alle Wunden. Doch meine Wunde heilt keine Zeit, sondern sie lehrt mich höchstens damit zu leben. Mit dem Verlust eines Kindes, verliert man einen Teil seiner Zukunft. So kommt immer wieder dieser Gedanke: Was wäre

jetzt ? Hätte er seinen Führerschein, eine Freundin oder was macht der Beruf ?

Sascha begleitet mich weiter und das ist gut so. Die Gesellschaft und damit meine Umgebung hat aber Schwierigkeiten damit. Die Trauer um ein Kind ist eines der größten Tabus und so fällt es schwer ehrlich miteinander umzugehen. Ich spreche selten darüber wie schlecht es mir geht oder zeige meine Gefühle, ich funktioniere. Darf ich in unsrer leistungsorientierten, schnelllebigen Gesellschaft nach so langer Zeit überhaupt noch Schwäche zeigen oder von meinem Kind und meiner Trauer sprechen?

Viele vermeiden Saschas Namen oder einfach das Thema. Ist es aus Rücksicht, mich nicht schmerzhaft zu erinnern oder ist es die Angst vor der Erkenntnis, dass wir und unsere Kinder sterblich sind, dass das Schicksal jeden ereilen kann. Aber der Tod gehört zu unserem Leben und Sascha ist sowieso immer in meinen Gedanken und die Erinnerung an ihn ist mir wichtig.

Ich verstehe die Berührungsängste, Unsicherheit und Sprachlosigkeit im Umgang mit Trauernden, aber es ärgert mich, wenn jemand meine Trauer beurteilen will.

Selbst unter Betroffenen ist die Trauer ganz individuell. Wem soll und kann ich es recht machen. Lache ich zuviel, denken sie, die hat es aber gut weggesteckt. Zeige ich meinen Schmerz nach zwei Jahren zu deutlich, macht man sich Gedanken, ob meine Trauer krankhaft sei. Die kleine Frage: „Wie geht’s ?“  ist eine Floskel, aber ich zweifele daran, ob mein Gegenüber es wirklich wissen will und Zeit hat mir zuzuhören.

Der Verlust und die Trauer haben mich verändert und auch die Wertigkeiten in meinem Leben. Momentan brauche ich meine ganze Kraft für meinen Beruf und meine Familie und wenn ich dann mal allein bin fehlt mir jeglicher Elan und ich habe nur noch das Bedürfnis mich zurückzuziehen. Gleichzeitig fühle ich mich einsam und habe den Wunsch nach Nähe. Ich kenne das nicht von mir und brauch deshalb auch viel Geduld mit mir selbst. Aber ich bin mir sicher aus jedem Loch, in das ich gerate komme ich auch wieder raus und ganz langsam Stück für Stück hole ich mir Teile meines alten Lebens zurück, auch wenn es nie wieder das gleiche wird.