Wieder ist er da, dieser 13 Januar. Schon sechs Jahre ohne Sascha und er fehlt mir so. Besonders spürbar ist das immer wieder, wenn wir mit der Familie zusammen sitzen, wenn wir gemeinsam spielen oder bei Familienfeiern, wie jetzt gerade der 20. Geburtstag unseres Jüngsten. Mir fehlen nicht nur seine Gesten, sein Lachen und seine Stimme, sondern auch sein Lärmen, seine Launen, sein Streiten und seine Unordnung.
Ja natürlich kann ich auch Lachen und mich an Dingen erfreuen, aber alles ist so unberechenbar geworden. Plötzlich ist sie da diese Traurigkeit, diese Sehnsucht nach Sascha und nach unserem alten Leben und dann diese Angst und das Gefühl des Alleinseins.
Lebenslänglich
Trauer ist wie ein großer Felsbrocken.
Wegrollen kann man ihn nicht.
Zuerst versucht man,
nicht darunter zu ersticken,
dann hackt man ihn Stück für Stück kleiner,
und den letzten Brocken
steckt man in die Hosentasche
und trägt ihn ein Leben lang mit sich herum.
So einige Felsbrocken habe ich in meinem Leben schon klein bekommen und nun hacke ich seit sechs Jahren an einem riesengroßen. Es ist eine mühevolle Arbeit, die viel Kraft kostet. Letztes Jahr dachte ich „jetzt hast du aber schon viel geschafft“, aber da ist ein neuer Felsbrocken auf uns gestürzt. Trotzt meiner Angst war ich zur Jahreswende hoffnungsvoll, freute mich auf unser Enkelkind, aber dann kam dieser 5.Februar 2008.
Kurz vor Mittag war noch alles in Ordnung, dann der Anruf unserer weinenden Tochter… vorzeitiger Blasensprung… Gynäkologin… Krankenhaus… Baby lebt… hoffnungsvolles Bangen. Doch am Mittag des nächsten Tages kamen die Wehen und abends wurde der kleine Marlon in der 18.SW still geboren, am 6.Februar, dem Geburtstag meines verstorbenen Bruders.
Wieder war sie da, diese große Traurigkeit, die Dunkelheit statt hoffnungsvollem Licht. Es tut so weh auch Tanja und Marcel so leiden zu sehen. Warum jetzt auch noch das? Ich habe häufig das Gefühl, meine Angst frisst mich auf, warte auf den nächsten Schlag. Die Leute um mich herum verstehen das einfach nicht. Sie ist doch noch jung... ach eine Fehlgeburt hatte ich auch... Aber es macht doch die Häufung der Ereignisse bei uns, die mir so Angst macht. Nun ist Tanja wieder schwanger und wir warten jeden Tag auf den Kleinen. Wird es der 13.1. ?
In mir herrscht ein Gefühlschaos. Freude und Trauer so nah beieinander. Ein Zufall der Zeitpunkt würde so mancher sagen, aber gibt es Zufälle oder nur Vorfälle, die es auf etwas abgesehen haben?
Meine Gedanken kreisen im Kopf. Ich denke an das was war, an das was ist und was sein könnte. Wie soll ich das Ganze sehen? Ich suche wieder mal nach dem Sinn und einer Antwort auf das Warum, obwohl mein Kopf mir sagt, dass ich wie immer keine Antwort bekommen werde. Neben Freude und Hoffnung kommt plötzlich wieder diese Traurigkeit. Da bin ich Gefangene meiner konfusen widersprüchlichen Gefühle.
Aber irgendwie muss ich dieses Gefühlschaos in mein Leben Integrieren, muss lernen damit zu leben. Mit Zukunftsplänen bin ich vorsichtig geworden. Trotzt meinem hohen Sicherheitsbedürfnis hat mich mein Leben gelehrt: „Lebe jeden Tag“. Ich versuche es und freue mich über jeden Moment mit meinen Lieben. Mal schauen, was uns das Jahr bringt. Sascha ist jedenfalls immer dabei.
Lebe jeden Tag
Lebe jeden Tag,
genieße jede Stunde.
Lebe jeden Moment,
wer weiß ob und wann er wiederkehrt.
Lebe jeden Tag,
mit deinen Freunden.
Lebe mit deinen Freunden,
eines Tages könnten sie mal fremd sein.
Lebe jeden Tag,
tu was dir Spaß macht.
Lache und sei fröhlich,
vielleicht ist das Lachen bald vorbei.
Lebe jeden Tag,
und spiel nicht mit deinem Leben.
Lebe dein leben
(Martina Hoffelner)